Kollateralschaden Deutschland

Wie die Eskalationspolitik der Berliner Ampel Deutschland, Europa und der Ukraine schadete

Die Bilanz der Kanzlerschaft von Olaf Scholz und seiner vorzeitig zerbrochenen Ampel-Koalition ist bitter. Mit seiner einzig auf Eskalation ausgelegten Kriegsertüchtigungspolitik hat das Dreierbündnis Deutschland, Europa, aber auch der Ukraine

großen Schaden zugefügt. Nach der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus müssen Deutsche und EU-Europäer zudem erkennen, dass sie beim Ringen um ein Ende des Krieges nichts mitzureden haben. Der neue Chef der westlichen Supermacht hat stattdessen beschlossen, seine "Verbündeten" geradezu zu demütigen (S. z.B. Bericht Euronews). Das ist umso fataler, als viele der Probleme, die Deutschland aktuell beschäftigen und schwächen, direkt oder indirekt mit der Russland-Ukraine-Krise und dem neuen Kalten Krieg zu tun haben.

Wenige Tage vor der Bundestagswahl konnten am Weltgeschehen interessierte Menschen Bundesaußenministerin Baerbock in einer der vielen Vorwahl-TV-Runden zuhören, wo sie warnte, dass die Russen in der Ukraine gestoppt werden müssten, denn ansonsten könnten sie demnächst in Polen und danach in Brandenburg einmarschieren (Bericht z. B. Tagesspiegel). Das deutlich bessere Alternativprogramm zur orakelnden Berliner Chefdiplomatin gab es zur selben Zeit im hessischen Offenbach, wo auf Einladung einer örtlichen Friedensinitiative der SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen sprach - einer der letzten Sozialdemokraten, der noch immer vom Sinn der Entspannungspolitik überzeugt ist. Für den früheren EU-Kommissar steht fest: Die Bundesregierung hat in den zurückliegenden drei Jahren nach dem fatalen russischen Großangriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 nichts dafür unternommen, den Krieg mitten in Europa zu beenden. Zum gleichen Schluss war zuvor bereits der Publizist Heribert Prantl in seinem lesenswerten Buch "Den Frieden gewinnen" gekommen: Die Ampel-Regierung missachte grob das Friedensgebot der Verfassung: "Eine Kriegstüchtigkeits-Diskussion ist eine Beleidigung für die Mütter und Väter des Grundgesetzes", stellte Prantl fest.

"Russland ruinieren"

In naiver Selbstüberschätzung war die Berliner Ampel 2022 ins Lager der Scharfmacher übergewechselt, zu Balten, Polen und Skandinaviern. Sie glaubte möglicherweise ernsthaft, Russland mit Wirtschaftssanktionen schnell "zu ruinieren" (O-Ton Baerbock). Offenkundig unternahm insbesondere das von den Grünen geführte Auswärtiges Amt alles nur denkbar Mögliche, um die Konfrontation mit Russland zu steigern - von der im Übereifer angeordneten Schließung fast aller diplomatischen Vertretungen 2023 bis - wie Recherchen verschiedener Medien (s z.B. NZZ) nahelegen - zur langwierigen Blockade eines Deals zum Gefangenenaustausch, der dem Oppositionspolitiker Alexej Nawalny womöglich das Leben gerettet hätte. Die Ministerin tönte, die Zusammenarbeit mit Russland im Energiebereich sei nicht etwa für die Dauer des Ukrainekrieges gestoppt, sondern "für immer". Doch nach drei Jahren ist der Gegner nicht ruiniert. Er ist noch nicht einmal international isoliert. Zu einem Eingeständnis, dass der Krieg nicht einfach vom Himmel fiel, sondern Ergebnis einer Kette langer Fehlentscheidungen aller Beteiligten seit Mitte der 1990er Jahre ist, war Berlin nie bereit. Wie auch: Die angestrebte Aufrüstungspolitik ließe sich dann viel schlechter begründen.

Die Sorge um die Zukunft der deutschen Industrie aufgrund sanktionsbedingt stark gestiegener Energiekosten, die ins Unermessliche steigenden Kriegsertüchtigungskosten, die Nöte der Kommunen bei der Integration der Flüchtlinge, nicht zuletzt die gesellschaftliche Spaltung - all diese Probleme werden absehbar durch die Fehler verschlimmert, die die Ampel mit ihrem Ukraine- und Russland-Kurs mitzuverantworten hat. Glaubt man Regierungsinsidern, dann hat der öffentlich zelebrierte Kleinkrieg unter den Koalitionspartnern über die Frage, wie schnell wie viele Kriegswaffen für den Kampf gegen die russischen Streitkräfte geliefert werden sollen, nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass das Ampel-Bündnis vorzeitig zerfiel. Wann je gab es das, dass ein Bundeskanzler nach Meinungsverschiedenheiten über die Waffenlieferungen aus der eigenen Koalition (von Strack-Zimmermann) behindertenfeindlich beschimpft wurde? Er zeige, so die Rüstungslobbyistin, "autistische Züge" (Bericht Welt.de). 

 

Seit 2022 agiert die Bundesregierung fortlaufend im krassen Widerspruch zu den nationalen Interessen der Bundesrepublik.
Denn ein dauerhafter Beinahe-Kriegszustand zwischen EU und dem größten Land Europas kann nicht in deutschem Interesse sein.
Erst recht nicht, wenn er die Bundesrepublik auf Dauer wirtschaftlich überfordert. Und schon gar nicht, wenn die Lösung der wirklichen globalen Herausforderungen daran zu scheitern droht, dass alle Ressourcen in aberwitzige Aufrüstungsprojekte fließen. Es ist auch nicht im deutschen Interesse, die Stationierung auf Russland zielender US-Mittelstrecken-Raketen abzunicken - ohne breite Debatte über deren Sinn und Zweck und offenbar ohne deutsche Mitsprachemöglichkeit über deren Einsatz (s. IPPNW-Analyse).

 

Desinteresse an Nord-Stream-Anschlag

Am deutlichsten wurde die Missachtung eigener nationaler Interessen nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines, den die Bundesregierung achselzuckend zur Kenntnis nahm. Während die üblichen Agitatoren anfangs die Verschwörungstheorie verbreiten durften, Russland habe die Pipeline selbst gesprengt, verlor die Politik schnell jegliches Interesse an der Attacke. Wie die Berliner Zeitung unter Berufung auf Beteiligte an den russisch-amerikanischen Verhandlungen berichtete, besteht die russische Seite darauf, dass echte Ermittlungen zur Urheberschaft des Anschlags erfolgen müssen, um die Beziehungen zwischen Moskau und Washington zu normalisieren. US-Präsident Trump würde sich dem möglicherweise nicht verschließen - um Rache an seinem Amtsvorgänger Biden und dessen Regierung zu nehmen: "Wenn Russen und Amerikaner tatsächlich gemeinsam eine knallharte Aufklärung betreiben, dürfte auch klar werden, was und wieviel Bundeskanzler Scholz und seine Kollegen gewusst haben."

 

Was das außenpolitische Versagen der Berliner Ampel noch unappetitlicher macht, ist ihre Doppelmoral. Sie trägt viel dazu bei, dass Deutschland in der restlichen (nichtwestlichen) Welt (s. Analyse im IPG-Journal) und auch bei internationalen NGOs wie "Amnesty International" (Bericht Deutsche Welle, Englisch) an Ansehen verliert. Während nämlich fortlaufend neue Sanktionspakete gegen Russland geschmiedet werden, weitete die Bundesrepublik zur selben Zeit ihre Waffenlieferungen an Israel zuletzt sogar wieder aus (Bericht tagesschau.de), obwohl die in Teilen rechtsextreme Netanjahu-Regierung wegen fürchterlicher Exzesse im Gaza-Krieg zurecht im Fokus internationaler Kritik steht. Politiker wie der SPD-Scharfmacher Michael Roth feierten noch vor nicht langer Zeit den Internationalen Haftbefehl gegen Wladimir Putin. Nach der Entscheidung, auch Netanjahu zur Festnahme auszuschreiben, fand derselbe Roth dann urplötzlich, der Internationale Gerichtshof habe seine Glaubwürdigkeit verloren (Bericht Deutsche Welle). Auch für die Bundesregierung ist es auf einmal nicht mehr so eindeutig, ob die Entscheidungen des Strafgerichtshofs wirklich verbindlich sind. Andere kriegführende Regierungen dürfen ebenfalls auf die Milde der Bundesrepublik vertrauen und auf deutsche Waffen zählen, solange sie im richtigen geopolitischen Lager stehen.

 

Ein dauerhafter Frieden in Europa und darüber hinaus ist nur möglich, wenn Russland wieder den Grundregeln des Völkerrechts folgt. Das gleiche gilt aber auch für alle anderen Staaten. Die "regelbasierte Weltordnung" nach deutscher Lesart, bei der wenige Auserwählte die Regeln für den Rest festlegen, aber nicht einmal daran denken, sich selbst daran zu halten, wird sich nicht mehr durchsetzen lassen.

  

Afghanistan 2.0 in Europa

Doppelmoral zieht sich durch das Verhältnis zur Ukraine: Alle Berichte über dortige Demokratiedefizite, Menschenrechtsverletzungen und nationalistische Auswüchse (s. z.B. Analyse von Ivan Katchanovski und Max Abrahams, Englisch) bleiben seit Jahren komplett folgenlos, weil nicht sein kann, was nicht sein soll. Vielen in Deutschland fällt der Widerspruch schon lange gar nicht mehr auf, dass im eigenen Land zu Protesten "gegen Rechts" aufgerufen wird, während rechtsextreme Umtriebe anderswo als lässliche Sünde gelten. Die Folgen sind grotesk: In München hatte ausgerechnet beim Christopher Street Day scheinbar niemand im Publikum ein Problem damit, einem ukrainischen Sänger zuzujubeln, der zwischen allerlei Regenbogen-Symbolik eine Hymne auf den Judenmörder Stepan Bandera sang: "Unser Vater ist Bandera, unsere Mutter ist die Ukraine. Und für die Ukraine ziehen wir in den Kampf!" (Bericht in der Süddeutschen Zeitung).

 

Mit ihrer bedingungslosen Unterstützung für Kiew in allen Dingen hat die Ampel-Regierung auch alle Ukrainerinnen und Ukrainer verraten, die in einem normalen Land leben wollen und sich nicht nur nach einem Ende des Krieges sehnen, sondern auch danach, dass die Extremisten im eigenen Land wieder ihren Einfluss auf den Staat verlieren. Dazu passt auch ein aktuelles Grundsatzurteil der deutschen Justiz. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Hindernisse, ukrainische Kriegsdienstverweigerer an ihr Heimatland auszuliefern (Zum Urteil s. Becc Aktuell). Die Ukraine verteidige sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, daher könne sich der Verweigerer nicht auf sein Gewissen berufen.

Längst steht fest: Der Ukraine-Krieg wird nicht so enden, wie man es sich in Berlin wünscht (was spätestens nach der gescheiterten ukrainischen Großoffensive im Sommer 2023 wirklich jeder hätte wissen können). Wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer ausführt, droht jede Verlängerung des Ukraine-Krieges das Desaster für die Ukraine und die Nato weiter zu vergrößern (S. Interviewmitschnitt, Englisch). Inzwischen ist ein Friedensschluss unter den Bedingungen der Istanbul-Verhandlungen nicht mehr realistisch, geschweige denn eine Rückkehr zu den Regelungen der Minsk-Abkommen, die die Ukraine als einheitlichen Staat bewahrt hätten. Diese Entwicklung hat die Ampel stets billigend in Kauf genommen.

 

Dass die Trump-Administration nun mit Moskau zunächst ohne Beisein der Europäer verhandelt, hat Berlin wie ein Blitz getroffen. Doch auch darauf hätte eine kompetente Bundesregierung vorbereitet sein müssen. Es ist keine neue Entwicklung unter Donald Trump, dass sich die Vereinigten Staaten aus Kriegen zurückziehen, wenn sie ihnen nicht mehr aussichtsreich erscheinen. Und dass die Europäer wie Vasallen behandelt werden, auch nicht. Die Verwünschung "Fuck the EU" aus einem abgefangenen Telefonat der US-Außenpolitikerin Victoria Nuland wurde schon lange zum geflügelten Wort -weil sie so gnadenlos ehrlich die Einstellung der amerikanischen Administration zu ihren "Verbündeten" zeigt (Bericht z.B. Welt Online). Damals, 2014, ging es lediglich um die Zusammensetzung der neuen Kiewer Regierung nach dem Sturz von Staatspräsident Viktor Janukowitsch. Jetzt geht es möglicherweise um eine neue Aufteilung von Einflusssphären in Europa und unvergleichlich höhere Kosten.

Die werden, so sieht es aus, neben der verratenen Ukraine vor allem die Westeuropäer zahlen müssen, während Washington der Ukraine auch noch Tributzahlungen abpresst.
Bereits im Frühjahr 2022 hatte der linke ukrainische Soziologe Wolodymyr Ischtschenko davor gewarnt, sein Heimatland könne schlimmstenfalls zu einem europäischen Afghanistan werden. Inzwischen ist diese apokalyptische Prognose nicht mehr unrealistisch. Im Februar 2025 warnte kein geringerer als der ukrainische Staatschef Selenskyj persönlich vor so einem Szenario (S. Bericht z.B. Focus.de)

 

Den ersten Stein aus der Mauer brechen

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich an der Berliner Russland- und Ukraine-Politik in absehbarer Zeit etwas ändern wird, ist denkbar gering, wie ein Blick auf die Wahlprogramme der Parteien belegt, die wahrscheinlich unter Friedrich Merz die neue Bundesregierung bilden werden (Gute Zusammenstellung bei der Deutsch-russischen Auslandshandelskammer): Im Kern geht es um mehr Waffen und mehr Sanktionen. Die Grünen nennen sogar den Nato-Beitritt der Ukraine weiter explizit in ihrem Programm. Und die FDP fordert gar ausdrücklich Sanktionen auch gegen Staaten, die sich den westlichen Sanktionen nicht anschließen wollen.


Die Deutschen müssten wohl erst von ihrem "hohen moralischen Ross auf den harten Boden der Realität" fallen, urteilte Michael von der Schulenburg, früherer UN-Diplomat und aktuell BSW-Abgeordneter im EU-Parlament, in einem Interview mit dem "Freitag": "Natürlich müssen wir unser Verhältnis zu Russland wieder aufbauen. Ich warne nur: Wir brauchen das mehr, als Russland das jetzt braucht."  


Dies ist auch der Tenor beim Vortrag von Günter Verheugen in Offenbach. Der sagt, er fühle sich derzeit wie vor einer unüberwindlichen, hohen Mauer. Und er warte darauf, dass endlich irgendjemand den ersten Stein aus dieser Mauer herausbreche. Im besten Fall sollte dies die Rolle Deutschlands sein. Für den alten SPD-Mann ist der Auftritt ein Heimspiel, er erhält viel Beifall.

 

Auf dem Weg zurück zum Bahnhof lächelt dann Annalena Baerbock von einem großflächigen Plakat auf die Menschen herab. In Europa dürfe nur einer herrschen, verkündet sie darauf - "der Frieden". In der Nähe plakatiert "Die Partei" die Forderung "Kein Weltkrieg ohne Deutschland". Und einen Moment kommt man als Passant ins Grübeln, in welchem Wahlkampfstab doch gleich die Satiriker sitzen. 

 

kp, aufgeschrieben am 21.2.2025 

 

 


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