"Die ganze Welt ist für uns Fremde. Die Heimat ist uns Zarskoje Selo."
Alexander Puschkin (1799-1837), russischer Dichter
Südlich von Sankt Petersburg bauten sich die Zaren eine weitere prächtige Residenzstadt. Im Zarendorf, Zarskoje Selo, sind heute gleich mehrere Palastanlagen zu bewundern. Der bekannteste davon ist der barocke Große Katharinenpalast mit dem weltbekannten Bernsteinzimmer und den umliegenden Parkanlagen. Der von Bartolomeo Francesco Rastrelli gestaltete Bau ziert unzählige Hochglanz-Broschüren und Bildbände über Russland. Der Stadt, die rund um die Herrscher-Residenzen entstand, wechselte im Laufe der Zeit mehrfach den Namen. Seit 1937 trägt sie den Namen Puschkin - zu Ehren des russischen Nationaldichters, der in seiner Jugend das Lyzeum von Zarskoje Selo besucht hatte.
Ähnlich wie der Palast von Peterhof an der Ostsee wird auch Zarskoje Selo vor allem im Sommer von Besuchern regelrecht überflutet. Organisierte Reisegruppen brechen bereits früh morgens auf, um ohne größere Wartezeiten und unangenehmes Gedränge in den 25 Kilometer südlich der Stadt gelegenen Palast hineinzukommen.
Die Gründung des Großen Katharinenpalastes geht auf die Herrschaftszeit von Katharina I. zurück. Die zweite Ehefrau von Peter dem Großen, die ihrem Mann für kurze Zeit auf den Thron folgte, hatten den Bau noch zu dessen Lebzeiten angeordnet. Seine heutige Gestalt erhielt der Palast aber erst in den Jahren nach 1749 während der Herrschaft von Kaiserin Elisabeth. Rastrellis erster Umbau missfiel der Herrscherin, erst beim zweiten Anlauf stellte der Hofarchitekt sie zufrieden. Auch Katharina die Große ließ die Residenz weiter umbauen, denn das, was sie vorfand, erschien der russischen Kaiserin mit deutschen Wurzeln als altmodisch. Heute kann eine ganze Reihe von Räumlichkeiten des Palastes besichtigt werden, darunter der große Ballsaal und verschiedene Speisesäle und Gästezimmer.
Höhepunkt eines Rundgangs durch den Palast ist ein schneller Blick auf das nachgebaute Bernsteinzimmer. Kein anderes Kunstwerk macht die ganze Dramatik der deutsch-russischen Beziehungen so
deutlich: Als Geschenk des Preußen-Königs Friedrich I. an Peter den Großen war das "Bernsteinkabinett" 1717 nach Sankt Petersburg gelangt. Kaiserin Elisabeth ließ sich die wertvolle
Wandverkleidung von Hofbaumeister Rastrelli in ihren Palast in Zarskoje Selo einbauen. Beim Vormarsch der deutschen Wehrmacht auf Leningrad im Zweiten Weltkrieg wurden zwar viele wertvolle
Gegenstände aus dem Palast rechtzeitig nach Sibirien evakuiert, das Bernsteinzimmer verblieb jedoch an Ort und Stelle, bis das Zarenschloss von den Deutschen geplündert wurde. Die
Kriegsbeute wurde ins Königsberger Schloss verbracht und dort ausgestellt. In den Wirren der letzten Kriegstage verliert sich schließlich die Spur des Bernsteinzimmers.
Schatzsucher, Detektive und Geheimagenten haben seither an unzähligen Orten danach gesucht, die Bernsteintafeln blieben jedoch verschwunden. Lediglich einige kleinere Teile, die offenbar von
deutschen Soldaten gestohlen wurden, tauchten später auf dem Antiquitätenmarkt auf und wurden an Russland zurückgegeben. Eine mit deutschen Sponsorengeldern fertiggestellte Rekonstruktion des
Bernsteinzimmers wurde zum 300. Stadtgeburtstag von St. Petersburg 2003 fertiggestellt.
Im Gegensatz zu den anderen Sälen des Katharinenpalastes sind Fotos im Bernsteinzimmer streng verboten. Eine Armada von Aufsichtspersonal achtet außerdem darauf, dass Besucher sich in dem Raum
nicht allzu lange aufhalten. Wer die filigranen Details der Bernsteinteile genauer studieren möchte, muss sich wohl einen Bildband kaufen.
Nach allen Regeln der Gartenbaukunst des 18. Jahrhunderts entstand am Katharinenpalast auf einer Gesamtfläche von stolzen 107 Hektar eine beeindruckende Parkanlage mit Pavillons, Kanälen und einer Vielzahl großer und kleiner künstlicher Seen. Es gibt Bauten im orientalischen und chinesischen Stil. Sogar "künstliche Ruinen" wurden in den Landschaftspark gebaut, und eine Fähre wurde ebenfalls angeschafft, um die blaublütigen Spaziergänger auf eine Insel im größten Teich zu befördern. Zarin Katharina die Große ließ den Park nach jedem Sieg ihrer Truppen mit Denkmälern für die gewonnenen Schlachten schmücken. Das jüngste Bauwerk des Parkensembles ist das "Türkische Bad" aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach der Oktoberrevolution wurde das gesamte Areal in ein Museum umgewandelt und verstaatlicht. Fortan flanierten hier die Werktätigen.
Kaum 500 Meter entfernt vom Katharinenpalast liegt mit dem Alexanderpalast eine weitere Zarenresidenz. Hier hielt sich die Familie des letzten Zaren Nikolaus II. mit Vorliebe auf, bis sie von den Revolutionären 1917 unter Arrest gestellt wurden. Dieses zweite Schloss ist dem Vernehmen nach ebenfalls sehr sehenswert und kann teilweise von innen besichtigt werden. Es gibt wesentlich weniger Besucher, und auch wir müssen einräumen, dass wir es noch nie dorthin geschafft haben.