Rund 25 Jahre lang konnten sich Touristen, Geschäftsleute und Diplomaten auf zuverlässige Berichterstattung verlassen. Nun ist die englischsprachige "Moscow Times" zumindest in Papierform Geschichte. Die letzte gedruckte Ausgabe der Zeitung soll am 6. Juli erscheinen, wie die Zeitung auf ihrer Webseite mitteilte. Der Mitteilung zufolge soll ein Großteil der Redaktion entlassen werden, die Markenrechte gehen an eine in Europa angesiedelte gemeinnützige Organisation. Seit 1992 hatte die "Moscow Times" Ausländern in der oft genug chaotischen und unübersichtlichen russischen Hauptstadt Orientierung geboten, sie war Pflichtlektüre für die englischsprachige Community.
Und auch manche westliche Korrespondenten kupferten für ihre Artikel gern bei der Zeitung ab. Eine Besonderheit der "Moscow Times" war, dass sie an vielen, von Ausländern frequentierten Orten in der russischen Hauptstadt kostenlos auslag - etwa in Hotels, Restaurants oder an den Flughäfen. Lange Zeit erschien sie täglich, seit Mai 2015 nur noch wöchentlich.
Die Geschichte der Zeitung ist eng mit dem niederländischen Verleger Derk Sauer verbunden, der noch zu Sowjetzeiten damit begann, englischsprachige Zeitungen in Moskau zu verlegen. In dem von Sauer aufgebauten Verlagshaus "Independent Media" erschienen später auch die 2014 eingestellte "St. Petersburg Times" und die renommierte
russischsprachige Wirtschaftszeitung "Wedomosti". 2015 wurde der frühere "Kommersant"-Generaldirektor Demjan Kudrjawzew Eigentümer der "Moscow Times", als Ausländer nach einer
Gesetzesverschärfung keine Mehrheitseigentümer russischer Massenmedien mehr sein durften. Der neue Besitzer beschloss den Umstieg auf eine Wochenzeitung.
Bei der gemeinnützigen Organisation, die die künftigen Internet-Aktivitäten unter dem Markennamen "Moscow Times" verantworten soll, stehen Sauer und Kudrjawzew künftig gemeinsam am Ruder.
Der Niederländer kündigte an, die Zeitung werde als reine Online-Ausgabe sogar expandieren. Für die Inhalte solle eine praktisch komplett erneuerte Redaktion sorgen, meldete die
Zeitung "Wedomosti". Auch der bisherige Chefredakteur Michail Fischman werde nicht mehr für das Projekt arbeiten.
Nach der Einstellung der "Moscow Times" müssen des Russischen nicht mächtige Ausländer aber auch künftig nicht ganz auf gedruckte Zeitungen verzichten - jedenfalls, wenn sie Deutsch
sprechen. Die traditionsreiche, 1998 wiedergegründete "Moskauer Deutsche Zeitung" erscheint nach wie vor
alle zwei Wochen. (kp)