Im Hinterland der russischen Ferienhochburg Sotschi hat sich an manchen Stellen eine einzigartige Vegetation erhalten, die mit ihren Lianen, moosbewachsenen Bäumen und immergrünen Büschen an einen Dschungel erinnert. Die kolchischen Wälder an Russlands Schwarzmeerküste geben einen faszinierenden Eindruck, wie es vor Jahrmillionen auch in weiten Teilen Europas aussah, bevor sich die Natur in den Eiszeiten radikal wandelte. Das aus Sicht von Botanikern und Biologen wertvollste, rund 300 Hektar große Teilgebiet liegt unweit des Stadtteils Chosta in einem Tal des gleichnamigen Flusses: Der Eiben- und Buchsbaumwald ist eine kleine Exklave des Kaukasus-Naturreservats und damit Teil des UNESCO-Weltnaturerbes. Vor einigen Jahren wurde der Wald allerdings Opfer einer regelrechten ökologischen Katastrophe: Eingeschleppte Buchsbaumzünsler fraßen nahezu den gesamten Buchsbaumbestand kahl.
Ob der einmalige Lebensraum zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus zu retten sein wird, kann derzeit kaum jemand mit Gewissheit sagen. Es steht aber fest, dass die Buchsbaumbestände im
besten Fall mehrere Jahrzehnte brauchen werden, um sich zu erholen.
Vermutlich wurden die Schädlinge eingeschleppt, als die Russen für Verschönerungsarbeiten im Vorfeld der Olympischen Winterspiele Buchsbäume bestellten. Mittlerweile hängt am Eingangstor mit
der Kasse des Naturreservat sogar ein Warnschild für Wanderer, dass die Buchsbäume derzeit keine Blätter haben. Angeblich sind die Gehölze aber noch nicht ganz tot. Das versicherte zumindest
eine Mitarbeiterin im Besucherzentrum.
Der Eiben- und Buchsbaumwald ist problemlos von den Badeorten der Küste aus zu erreichen. Stadtbusse aus dem Zentrum von Sotschi stoppen im Vorort Chosta an einer Haltestelle an der Brücke über den Chosta-Fluss. Von dort aus liegt das Eingangstor zum Wald eine knappe halbe Stunde Fußweg entfernt. Im Naturreservat selbst wurden in den vergangenen Jahren mehrere sehr schöne Wanderwege angelegt. Im Norden des Schutzgebietes führt ein Weg an den wegen Einsturzgefahr gesperrten Ruinen der Festung Chosta vorbei bis zu dem schönen Canyon "Teufelstor" ("Tschortowy Warota") Teilweise wurden Metalltreppen an die senkrecht abfallenden Felswände des Canyons montiert. Für einen Besuch und eine Rundwanderung sollte man mindestens einen halben Tag, besser aber noch mehr Zeit mitbringen, denn es gibt eine Reihe wunderschöner Rastplätze.
Trotz der Zünsler-Invasion kommen in dem Wald noch immer viele einzigartige Pflanzen vor, die es nirgendwo sonst auf der Welt außer an der feucht-warmen östlichen Schwarzmeerküste
gibt: Auf dem geschützten Territorium finden sich Kolchische Stechpalme, Kolchische Pimpernuss und Kaukasischer Diptam, außerdem Rhododendren und natürlich die teils über
2.000 Jahre alten Eiben.
Auch die Tierwelt ist mit recht beeindruckenden Spezies vertreten: Hier tummeln sich noch heute in wenigen Kilometern Entfernung von der Stadt Sotschi Braunbären, Schakale und
Fischotter. Die meisten wilden Tiere meiden die Menschen und sind eher im nicht für Touristen westlichen Teil des Waldes heimisch. Es soll aber vor einigen Jahren auch eine
Bärenhöhle ganze 40 Meter vom Hauptwanderpfad entfernt gegeben haben. (kp)