"Ich würde Russisch allein schon deswegen lernen, weil es die Sprache Lenins ist."
Wladimir Majakowski (1893-1930), sowjetrussischer Dichter
Russisch ist die Muttersprache von über 160 Millionen Menschen, eine der sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen und nach wie vor in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion in
Gebrauch. Alle russischen Schüler lernen mindestens eine Fremdsprache in der Schule, aber die Fremdsprachenkenntnisse im größten Land der Welt bleiben ausbaufähig. Freundlich
ausgedrückt: Es ist so ähnlich wie in Frankreich.
Deshalb sollte jeder Reisende sich bemühen, wenigstens einige Brocken Russisch zu lernen. Es ist überhaupt nicht so schwierig, wie manche denken!
Für Eilige, die keine Zeit für einen Volkshochschulkurs haben, fasst der Rhein-Wolga-Kanal die wichtigsten Grundsätze der russischen Sprache zusammen:
Reden Sie in Russland, was und so viel Sie wollen, aber sagen Sie beim Zuprosten bitte niemals "Nastrowje" oder "Na sdaróvije"! Wer auf
die Gesundheit seines Gegenübers anstoßen will,
macht das korrekt mit den Worten "Sa tvajó sdaróvije!" ("За твое здоровье") oder, wenn es um mehrere Menschen geht oder man sich siezt, mit
"Sa wásche sdaróvije!" ("За ваше здоровье"). Das "sa" ("auf") darf dabei auch weggelassen werden. Die Redewendung
"Na sdaróvije!" wird im Russischen ebenfalls häufig verwendet, aber in einem völlig anderen
Kontext - nämlich immer dann, wenn sich zuvor ein Gesprächspartner für das Essen bedankt hat. Es bedeutet also so viel wie "wohl bekomm´s".
Bitte keine übertriebenen Ängste vor der in Russland gebräuchlichen kyrillischen Schrift. Die Zeit im Flugzeug von Berlin nach Moskau reicht eigentlich für jeden aus, um das Alphabet mit seinen 32 Buchstaben zu lernen, schließlich handelt es sich nicht um irgendwelche Hieroglyphen. Dem Westeuropäer kommen dabei mehrere Umstände zur Hilfe:
- Einige Buchstaben sind identisch, und zwar A, K, M, O, T und E (im Russischen ein "weiches E", also oft wie "Je" gesprochen). Somit kann jeder Russland-Reisende ohne
jegliche Sprachkenntnisse schon viele wichtige russische Worte lesen und verstehen, z.B. какао, такт, атом, мама.
- Weitere Buchstaben sehen aus wie lateinische, werden aber anders ausgesprochen. Jeder Briefmarkensammler kennt noch die Abkürzung CCCP für UdSSR, womit schon einmal klar ist, dass C wie S
und P wie R ausgesprochen wird.
- Wer sich dann noch an die griechischen Abkürzungen aus dem Mathematik- oder Physikunterricht erinnern kann, dem eröffnen sich gleich etliche weitere kyrillische Schriftzeichen: das П sieht
beispielsweise aus wie die Zahl Pi - und wird tatsächlich wie P ausgesprochen, Л ist das griechische Lambda, also L. Das Д sieht aus wie das griechische Delta - ist also D, und auch das
griechische Gamma - Г - haben sich die Russen ausgeborgt und zu ihrem G gemacht etc. etc.
- Mit den übrigen paar Zischlauten und sonstigen Zeichen werden Sie im Handumdrehen fertig, versprochen!
Nicht alle Laute der russischen Sprache sind einem Deutschen geläufig. Wer z.B. als Bayer das "R" rollen kann, hat aber schon einmal die größte Hürde überwunden. Im Deutschen unbekannt, aber beispielsweise den Türken gut vertraut ist auch das "harte I" (Ы), das in Namen wie Tschernobyl oder Gromyko meist mit Y transkribiert wird. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist das weich dahingezischte "Schtsch" (Щ), bekannt aus dem leckeren russischen Rote-Beete-Eintopf Borschtsch. Umgekehrt kennen die Russen das gehauchte H nicht. Sie sind zufällig Hans aus Heidelberg? Dann haben Sie Pech gehabt, denn in Russland werden Sie gnadenlos zu "Gans is Gejdelberga".
Ok, das ist jetzt etwas beschönigend formuliert. Im Vergleich zum Englischen oder Französischen hat die deutsche Sprache aus dem Russischen nur wenige Wörter entlehnt. Einige gibt es aber doch: Troika, Taiga, Steppe und Sputnik kommen beispielsweise aus der russischen Sprache. Auch den oder das Pogrom und den Ukas verdanken wir den Russen. Umgekehrt hat die russische Sprache viele deutsche Lehn- und Fremdwörter übernommen, von A wie Aisberg (айсберг) über L wie Landschaft (ландшафт) und R wie Rjuksak (рюкзак) bis Z wie Zugzwang (цугцванг). Das berühmte russische buterbrod (бутерброд) wird übrigens korrekt mit "belegtes Brot" übersetzt. Da geht es nicht bloß um Butter.
Dass "Guten Tag" auf russisch "Dobryj djen" / "Добрый день" heißt, "Auf Wiedersehen" - "Do swidánija" / "До свидания" und "Danke" - "Spasíba" / "Спасибо", das alles wissen Sie bestimmt schon. Falls nein, dann sagen Sie jetzt laut "Njet" / "Нет", und schon wieder ist der Wortschatz angewachsen. Die Kenntnis weniger weiterer Redewendungen hilft bereits enorm, sich in Russland zurechtzufinden:
"Steigen Sie (auch) aus?" - Merken Sie sich diesen Satz! Sie werden ihn in den überfüllten Bussen und U-Bahn-Waggons täglich hören, wenn Sie mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind. Es handelt sich dabei nicht um einen Anmacheversuch. Die korrekte Reaktion auf die Frage ist, entweder zu nicken, Ja ("Da"/"Да") zu sagen oder wortlos eine kleine Schneise Richtung Ausgangstür freizumachen.
"Entschuldigung, haben Sie geöffnet?" - Diese freundliche Frage können Sie immer dann in den Raum werfen, wenn Kellner oder Verkäufer sich überhaupt nicht für Sie zu interessieren scheinen. Meistens reagiert das Kaufhaus- oder Restaurant-Personal spätestens dann.
"Ist das (noch) frisch?" - Noch so eine Frage, die im russischen Einzelhandel oder auf Märkten von grandiosem Wert ist. Denn - so seltsam es klingt - es werden zwar vielerorts Lebensmittel mit zweifelhafter Haltbarkeitsdauer verkauft. Erstaunlich oft erteilen die Verkäufer(-innen) aber ehrlich Auskunft, wenn man sie danach fragt und empfehlen dann gegebenenfalls eine andere Gemüse- oder Käsesorte. Besonders hilfreich ist die Phrase in Kombination mit einem charmanten Unschuldslächeln.
Die Frage "Wer ist der letzte?" hört man noch gelegentlich an Bahnhofskassen oder anderenorts, wo sich eine Warteschlange gebildet hat. Vor allem außerhalb der Metropolen, denn Hauptstädter finden den Ausdruck höchst provinziell. Wer sich mit einem "Ich!" ("Ja!"/"Я!") outet, erhält zur Antwort die Phrase "Tagda ja sa vami" / "Тогда я за вами" - "Dann stehe ich jetzt hinter Ihnen."
Insbesondere auf längeren Zugfahrten im Schlaf- oder Liegewagen ist es in Russland normal, seinen Proviant mit Mitreisenden zu teilen. Manchmal machen dann auch Flaschen mit Hochprozentigem die Runde. Wer nicht mittrinken will, sagt einfach "Ich trinke keinen Wodka", damit ist die Angelegenheit dann meistens geregelt.
"Na warte, Hase!" - diesen Ausruf werden Sie auf einer Russland-Reise zwar eher selten aktiv gebrauchen. Aber wer ihn kennt, weiß alles, um eine der liebenswertesten sowjetischen Zeichentrickserien zu verstehen. Die zeitlos lustigen Folgen von "Hase und Wolf" bestehen aus wilden Verfolgungsjagden, und am Ende, wenn der Hase wieder einmal entwischt ist, bleibt dem Wolf nichts anderes übrig, als dem flinken Nager die geballte Pfote zu zeigen und ein zorniges "Na warte!" hinterher zu rufen. Die Serie gibt es überall in Russland als DVD zu kaufen.
Die russische Sprache hat gegenüber dem Deutschen einige echte Vorzüge, so gibt es keine Artikel, die man mühsam lernen müsste. Es gibt auch keine stark ausgebildeten Dialekte, die die Verständigung erschweren könnten. Die sechs Fälle bei den Substantiven werden durch Endungen gebildet, wie man es vom Lateinunterricht her kennt. Und dann gibt es noch die sogenannten Aspekte der russischen Verben, die viele Russisch-Lernenden zur Verzweiflung treiben. Aber wenn man es genau betrachtet, gibt es die so ähnlich auch im Deutschen: Sie haben lange gelesen und den Text endlich durchgelesen. Gratulation! Wer bis hier durchgehalten hat, verfügt schon über ein solides Basiswissen. Der Rest kommt mit der Zeit, ganz gewiss.
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