Die östlichen EU-Mitgliedsstaaten stopfen nach und nach die letzten Löcher ihres neuen Eisernen Vorhangs zwischen Russland und dem restlichen Europa. Kurz nach Jahreswechsel gab Finnland bekannt, dass die über 1.300 Kilometer lange Landgrenze zum neuerdings verfeindeten Nachbarn komplett geschlossen bleiben soll (S. z.B. YLE, Englisch) - vorerst bis Mitte Februar.
Innenministerin Mari Rantanen von der Rechtsaußen-Partei "Die Finnen" begründete den Schritt mit der "nationalen Sicherheit". Für Russland-Reisende ist die andauernde Grenzblockade durch die finnischen Behörden eine mittlere Katastrophe: Bis Ende 2023 war die Route über die russisch-finnische Grenze für diejenigen, die die EU noch passieren ließ, einer der unkompliziertesten.
Im Gegensatz zu den Ostgrenzen der baltischen Republiken Estland und Lettland hielten sich hier die Wartezeiten stets in Grenzen, auch Klagen über schikanöse Grenzkontrollen gab es
aus Finnland eher selten. Doch Ende November hatte die finnische Regierung kurzfristig beschlossen, die Grenze zu Russland komplett zu schließen - russischen Touristen,
Privatreisenden und später auch allen russischen Autofahrern war der Grenzübertritt bereits zuvor verboten worden. Offiziell hieß es damals aus Helsinki, Russland schleuse angeblich
eine große Anzahl von Flüchtlingen aus außereuropäischen Staaten über die Grenze. Deren Zahl hatte sich zuletzt - ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau - vervielfacht. Offenbar
hatten die russischen Grenzer aufgehört zu überprüfen, ob Reisende im Besitz von Visa oder Aufenthaltserlaubnissen für die EU waren, was Finnland als feindselige "hybride Operation"
wertete.
Zahlreiche Reisende und die verbliebenen Firmen mit Linienbus-Verkehr zwischen Helsinki und St. Petersburg wurden von der
Maßnahme kalt überrascht - schließlich waren nicht einmal während des (ersten) Kalten Krieges die Grenzen zwischen den Blöcken jemals komplett abgeschottet. Ein
Großteil derer, die bislang die Grenzen zwischen Russland und Finnland nutzten (auch Direktflüge zwischen EU und Russland sind bekanntlich seit 2022 verboten), musste in den folgenden Wochen
notgedrungen auf eine Transitroute über Estland ausweichen. Dort zählten entnervte Autofahrer um den Jahreswechsel herum die Wartezeiten nicht mehr in Stunden, sondern oft in Tagen ab -
zumal wegen der noch langsameren Abfertigung an der lettischen Ostgrenze auch viele Autofahrer aus dem Nachbarland inzwischen einen Umweg über Estland einlegen. Mitte Dezember
schienen die Finnen sich umentschieden zu haben, zwei der acht Straßen-Übergänge wurden überraschend wieder geöffnet, nach bereits zwei Tagen aber wieder geschlossen. Ursprünglich sollte
der Grenzübertritt vom 14. Januar wieder erlaubt werden, doch die finnische Regierung hat inzwischen umentschieden.
Vom 1. Februar an drohen bereits die nächsten Probleme: Die Brücke zwischen Narva und Iwangorod, der wichtigste verbliebene Grenzübergang zwischen Russland und Estland, wird dann auf für
die Dauer von mehreren Jahren für den Autoverkehr gesperrt - dieses Mal auf russische Initiative mit der Begründung, die Brücke müsse saniert werden (Bericht Nowaja Gazeta Baltija,
Russisch). Entsprechende Pläne gab es tatsächlich schon vor 2022, sie wurden immer wieder aufgeschoben. In Narva können künftig lediglich Fußgänger den neuen Eisernen Vorhang passieren,
Russische und Estnische Linienbusse wie die von Lux
Express (Pressemeldung, Russisch) wollen ihre Passagiere zu den Kontrollpunkten der jeweiligen Seite bringen, und auf der anderen Seite der Grenze wieder an Bord nehmen.