Mit dem Fahrplanwechsel am 8. Dezember gibt es für Zugreisende in Russland eine ganze Reihe von Umstellungen: Einige Änderungen sind hilfreich, andere eher kurios. Auch einige neue Verbindungen im Angebot sind vorgesehen. Wirklich ärgerliche Einschnitte wird es bei der Russischen Eisenbahn (RZD) hingegen nicht geben - jedoch den Abschied zweier wahrhaft legendärer Zugverbindungen von Moskau nach Mitteleuropa. Die wohl folgenreichste und (auch von unserem Blog bereits angekündigte Neuerung) kommt mit einiger Verzögerung erst Ende Dezember. Dann schickt das private Bahnunternehmen "Grand Express" die ersten Personenzüge über die neu gebaute Brücke auf die Krim.
Wir haben uns den Fahrplan einmal genauer angesehen und listen hier alle wichtigen Neuerungen auf:
Auf den internationalen Routen der Russischen Eisenbahn heißt es Abschied nehmen von den beiden russischen Schlafwagenzügen "Vltava" auf der Strecke Moskau-Prag (zuletzt nur
noch einmal wöchentlich) und dem "Polonez", der an drei Tagen in der Woche zwischen Moskau und Warschau verkehrte. Als Ersatz soll es anstelle der Nachtzüge künftig eine
tägliche komfortable Schlafwagen-Verbindung mit Kurswagen auf der Strecke Moskau-Warschau-Prag geben, die in Minsk und Brest umgehängt werden und bis Warschau in etwa dem alten Fahrplan des
"Polonez" folgen. Insofern wäre das - genügend freie Plätze vorausgesetzt - womöglich sogar eine Verbesserung im Nachtzugangebot. Um den aufgegebenen Traditionszug ist es dennoch irgendwie
schade, zumal wir schon in den 1990-er Jahren oft mit dem "Polonez" unterwegs waren, als er noch aus alten polnischen "Wars"-Schlafwagen mit Kohleöfen zusammengestellt war.
Bei der Nutzung dieser Zugverbindung bleibt die Problematik der offiziell nicht zulässigen Transit-Reisen durch Weißrussland vorerst weiter
bestehen. Und es gibt noch ein zweites ärgerliches Problem: In Ost-West-Richtung ist der Fahrplan der Kurswagengruppe leider überhaupt nicht mehr an die Bedürfnisse von
Reisenden mit Ziel Deutschland angepasst: Der Morgen-Eurocity Warschau-Berlin verlässt Warschau fünf Minuten vor der Ankunft der Reisenden aus Moskau. In Prag fährt der letzte IC-Bus des
Tages nach Nürnberg in der selben Minute ab, in der die Kurswagen aus Moskau planmäßig eintreffen - gute Planung sieht anders aus!
Bei den wenigen anderen Zügen nach Westeuropa (Moskau-Berlin, Moskau-Paris, Moskau-Nizza) bleibt alles beim Alten, jedenfalls fast. Denn ab Dezember bekommt das Saarland eine
umsteigefreie Direktverbindung von und nach Russland: Der wöchentliche Nachtzug Moskau-Paris nimmt laut neuen Fahrplan eine Route über Saarbrücken statt wie bisher über Karlsruhe und
Straßburg.
Eine weitere wichtige Neuerung im internationalen Zugverkehr hatte ich zunächst ganz übersehen: Für Transsib-Reisende bedeutet sie aber das Ende einer Ära: Der wöchentliche Zug von Moskau
nach Peking durch die Mandschurei ("Wostok") wird eingestellt und durch eine ebenfalls einmal pro Woche verkehrende Kurswagengruppe ersetzt, die bis Tschita mit dem "Rossia"-Express
Moskau-Wladiwostok fährt. Der chinesische Moskau-Peking-Express durch die Mongolei bleibt erhalten.
Im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es außerdem künftig eine neue umsteigefreie Kurswagen-Verbindung von Noworossijsk am Schwarzen Meer und Krasnodar nach Baku in Aserbaidschan. Die
Wagen fahren an den Verkehrstagen des Nachtzugs von Rostow am Don nach Baku.
Ein wenig Rätselraten herrscht bislang noch bei den lange angekündigten Zugverbindungen auf die Halbinsel Krim: Aus Furcht vor westlichen Sanktionen stellt nicht die russische Staatsbahn RZD
das Rollmaterial für die ersten Züge, sondern "Grand Express", ein Anbieter, der bislang lediglich einen Nachtzug zwischen Moskau und St. Petersburg betrieb. Das war bereits vor Monaten so vermutet worden. Seit Anfang November werden nun Tickets für die ersten Zugpaare St.
Petersburg-Sewastopol und Moskau-Simferopol unter dem Markennamen "Tawrija" verkauft, die ab 23. bzw. 24. Dezember verkehren sollen. Der Andrang auf Fahrscheine soll so groß gewesen
sein, heißt es, dass die Webseite des Anbieters erst einmal zusammenbrach.
Die neuen Züge brauchen von Moskau nach Simferopol rund 33 Stunden, von St. Petersburg nach Sewastopol etwa 45 Stunden - deutlich länger als bis zur Einstellung des Verkehrs 2014
durch die Ukraine. Sie passieren die über die Meerenge von Kertsch gebaute Krim-Brücke in beiden Richtungen jeweils mitten in der Nacht. Zum Schicksal weiterer angekündigter
Züge auf die Halbinsel gab es bislang keine offiziellen Angaben. Nicht auszuschließen ist, dass sich ihr Start verzögert, weil dem privaten Bahnunternehmen die Waggons fehlen.
Die RZD setzt 2020 im Inlandsverkehr noch stärker auf Doppelstock-Schlafwagen und auf einige neue Zugverbindungen. Insgesamt gibt es im Fernverkehr rund 15 Zugpaare mehr als im aktuellen
Fahrplan vorgesehen.
So wird ein Nachtzug eingeführt, der von Moskau über Nacht nach Wyborg an der Grenze zu Finnland und von dort im großen Bogen um den Ladogasee herum nach Petrosawodsk fährt.
Unterwegs hält er an vielen potenziell für Touristen interessanten Orten wie Sortawala, dem Ausgangspunkt für Touren auf die Klosterinsel Walaam.
Eine komplett neue Schlafwagen-Verbindung gibt es ab 8. Dezember auch zwischen Moskau und.... Moskau! In großem Bogen verbindet ein Nachtzug künftig den Pawelezer mit dem Kiewer
Bahnhof der Hauptstadt und kommt auf seiner 13-stündigen Fahrt auch durch Städte wie Tula und Kaluga. Viele Zwischenhalte der Nebenstrecke hatten in den vergangenen Jahren keine direkte
Verbindung mehr mit der Metropole.
Zwischen Moskau und St. Petersburg verkehren mit dem Fahrplanwechsel neben Nachtzügen und den ebenso schnellen wie teuren Breitspur-ICEs "Sapsan" künftig auch deutlich günstigere
Regionalexpress-Züge ("Lastotschka"). Sie starten nachmittags in beiden Städten und sind rund sieben Stunden später am Ziel.
Auf einer der Transsib-Hauptstrecken entfällt der bisher tägliche Nachtzug zwischen Moskau und Perm im Ural. Der Verlust scheint verkraftbar, da auf der Strecke auch künftig viele andere Züge der Transsibirischen Eisenbahn verkehren und
einige mit Startbahnhof im sibirischen Landesteil in Perm durch Kurswagen verstärkt werden sollen. In Sibirien wechselt bei einer Reihe von Zügen die Häufigkeit von täglich auf alle
zwei Tage oder umgekehrt.
(Aktualisiert 8.12.2019)