"Das Märchen hat sich mit dem Leben verwoben, und er trauert manchmal unbewusst darum, dass das Märchen nicht das Leben und das Leben kein Märchen ist."
Iwan Gontscharow (1812-1891), in "Oblomow"
Für die Transatlantiker war es ein schwarzer Tag, für die Führung in Kiew eine Hiobsbotschaft: Viele, die noch immer von einem militärischen Sieg der Ukraine über Putins Russland träumen, fürchten, Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus könnte den Rückzug der USA aus dem Konflikt einleiten, wenn es mit dem von Trump angestrebten "Deal" nicht klappt. Schließlich hatte der Wahlsieger bereits angekündigt, er könne den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden (z.B. AP-Bericht, Englisch).
Während sich die EU-Staaten weiter gegen den ungeliebten großen Nachbarn im Osten abschotten, werden die Verbindungen zwischen Russland und dem Rest der Welt langsam wieder besser. Zahlreiche Fluggesellschaften bieten in ihren aktuellen Plänen neue Verbindungen aus der Türkei, den Staaten der früheren Sowjetunion und dem Nahen Osten, und zwar nicht nur nach Moskau, sondern auch in viele regionale Zentren. Und manche Angebote könnten sogar für Reisende aus dem Westen interessant sein, die seit 2022 in jedem Fall lange Umwege nehmen müssen. So hat etwa die arabische Billigfluggesellschaft Air Arabia neuerdings Verbindungen zwischen Wien und russischen Zielflughäfen im Angebot (Meldung Travel.ru, Russisch).
Trotz der unvorstellbaren Gräuel, die deutsche Soldaten im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zu verantworten hatten, war das Deutschlandbild in Russland lange Zeit fast durchweg positiv. Die Deutschen genossen außergewöhnlich große Sympathien, wie ich im Laufe der Jahre immer wieder erstaunt feststellen konnte. Seit der Krieg in der Ukraine 2022 eskalierte und Politiker beider Länder nur noch über öffentlichkeitswirksame Drohungen miteinander kommunizieren,
haben nicht nur die politischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten einen Tiefpunkt erreicht. Auch die Einstellung der Russen hat sich rasant geändert. Dies machte eine im Herbst vorgestellte Studie des russischen Meinungsforschungsinstituts "Levada Center" deutlich.
Sommerurlaub ist vermutlich das falsche Wort, um unsere über dreiwöchige Reise im Juli und August 2024 zu beschreiben. "Odyssee" trifft es besser. Vom Party-Hotspot des Baltikums und einem vom Eisernen Vorhang zerschnittenen Naturwunder an der Ostsee führte der Weg zu russischen Freunden und Verwandten, bis zum Moskauer Kreml und an die breite Wolga - mit vier Flügen, einer Fährpassage, mit Eisenbahn, Linienbus, Taxi und einem Fußmarsch über die Grenze. Die Realitäten des neuen Kalten Krieges zwangen uns wieder groteske Umwege auf - dieses Mal bis nach Afrika. Dennoch gilt: Auch in der aktuellen Situation sind Besuche in Russland grundsätzlich weiter möglich, wenn man bereit ist, einige Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen.
Viele Leute interessieren sich für Russland. Nur wenige Deutsche waren schon einmal dort. Einige würden das rätselhafte Riesenland im Osten gerne kennenlernen, sie wissen aber nicht,
wie sie das am besten anstellen. Und was sie dort erwartet. Für solche Neugierigen war dieser Reiseblog gedacht. Gewissermaßen wie ein Kanal, der Rhein und Wolga verbindet.
Dann begann der Krieg, und auch im Internet gilt: À la guerre comme à la guerre bzw. на войне как на войне. Nach Reisen ist momentan vielen nicht mehr zumute.
Daher ist auch dieser Blog gerade ein ganzes Stück politischer, als das einmal geplant war.